Die Wahl

[22] Graf Hunerich, ein deutscher Mann,

Hielt sich und seinem Weib,

Frau Hedwig, einen Schloßkaplan

Zum frommen Zeitvertreib.


Der Mönch vergaß beym leckern Tisch

Des Grafen sein Brevier;

Aß auch am Freytag selten Fisch,

Trank lieber Wein als Bier.


Einst weckt ihn was um Mitternacht;

Da stand mit stillem Grimm,

Gehörnt, in schwefelgelber Tracht,

Fürst Lucifer vor ihm.


Wähl, sprach er, unter dreyen eins:

Ermorde Hunerich,

Entehr sein Weib, sauf dich voll Weins,

Sonst hol ich morgen dich.


Er wählt die Flasche, treibt berauscht

Mit Hedwig frevle Lust,

Und stößt dem Mann, der sie belauscht,

Ein Messer in die Brust.

Quelle:
Gottlieb Konrad Pfeffel: Poetische Versuche, Erster bis Dritter Theil, Band 2, Tübingen 1802, S. 22-23.
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