Elftes Kapitel.
Schluß.

[357] Wir haben unserer Erzählung nur wenige Worte noch hinzufügen.

Sloboda ward feierlich auf dem Kirchhofe des zum Zeiselhofe gehörigen Dorfes in der herrschaftlichen Gruft beerdigt. Vierzehn Tage später reichte vor dem Altar der nämlichen Kirche die glückliche Elwire dem Kapitän ihre Hand als Gattin. Die Neuvermählten verließen Heimath, Verwandte und Freunde, um wenige Wochen später auf dem Schiffe »die Hoffnung« nach Amerika unter Segel zu gehen, nicht, weil sie Europa fliehen wollten, sondern weil es Aurel für rühmlicher hielt, sein Leben in rüstiger Thätigkeit zum Besten des Volkes zu verbringen. Gilbert begleitete ihn und erhielt die Stelle eines Schiffslieutenants,[358] da Kapitän Aurel auf seinem Kauffahrer die Gesetze eingeführt hatte, die ihm während seiner Dienstzeit in der englischen Marine lieb und werth geworden waren.

Elwire folgte dem geliebten Gatten mit leichtem Muth und bewährte ihren Heroismus auf glänzende Weise.

Nach Jahresfrist kehrten die Seefahrer wieder auf längere Zeit nach Europa zurück und statteten ihren Freunden einen mehrtägigen Besuch auf Boberstein und dem Zeiselhofe ab. Sie fanden Vieles verändert.

Marie war Sloboda in die Gruft nachgefolgt und Martell, der sich nur scheinbar von seiner Entkräftung erholt hatte, wankte sichtlich dem Grabe zu. Er war fast zum Geripp abgemagert und ging jetzt in denselben Gemächern, die sein schuldiger Bruder so oft in der Angst seiner Seele durchwandert hatte, rastlos umher, um die Schmerzen, die seinen Körper folterten, zu unterdrücken. Sein Geist aber hatte sich beruhigt. Er verzieh dem Verstorbenen vollkommen und wünschte nichts sehnlicher, als neben ihm zu schlummern. Noch im Herbst desselben Jahres ward sein Wunsch erfüllt.[359]

Vollbrecht war zu Aller Erstaunen ein glücklicher Gatte geworden an – Bianca's Seite! Nie schien es ein gesetzteres Ehepaar gegeben zu haben als diese beiden einander so gänzlich widersprechenden Charaktere.

Darüber war Gilbert sehr ärgerlich, weshalb er sich auch allen Ernstes vornahm, sich für solche Untreue, die so gar wenig guten Geschmack verrieth, an Bianca, der allerliebsten Geschäftsführerin, empfindlich zu rächen. Der leidenschaftliche Jüngling hielt auch wirklich Wort, indem er bei seiner Rückkehr nach Hamburg um die Hand Clara's anhielt und die freundlichste Aufnahme fand. Der wilde Sohn des Meeres ward durch seine Liebe zu dem klugen Mädchen sogar unerwartet zahm, denn er entschloß sich, da Clara sich entschieden weigerte, zur See zu gehen, als Compagnon in das Haus »Am Stein und Comp.« zu treten, und einige Jahre später finden wir ihn als geschickten, thätigen und höchst soliden Handelsmann wieder.

Paul übernahm die Bewirthschaftung des Zeiselhofes, wobei ihm Leberecht, Eduard und Simson treulich zur Hand gingen. Man sprach bei der erstmaligen Wiederkehr des Kapitäns von[360] einer Neigung, die Martells älteste Tochter dem jüngsten Sohne Haideröschens eingeflößt haben sollte.

Herta lebte in tiefstem Frieden fortwährend auf dem Zeiselhofe und versprach zugleich mit ihrer Zofe Emma ein sehr hohes Alter zu erreichen.

Von Adalbert hörte man nie wieder etwas Bestimmtes. Er schien sich im Orient niedergelassen zu haben.

Der Maulwurffänger ging noch immer seinen Geschäften nach, kehrte häufig auf dem Zeiselhofe ein, pilgerte nicht selten auch nach Boberstein und verschmähte nie, einer tüchtigen Mahlzeit mit gesundem Appetit zuzusprechen.

Schlenker und Gregor kamen nur selten aus, desto lebhafter konnten sie Stunden- und Tagelang über Dinge streiten, die sie hochwichtig fanden, während der Maulwurffänger sie dummes Zeug nannte.

Die Fabrik gedieh, die Arbeiter wurden verhältnißmäßig wohlhabend und Niemand hat je wieder gehört, daß irgend Einer mit seinem Loose unzufrieden gewesen wäre oder die Erfindung der Maschinen als ein Werk des Teufels verwünscht[361] hätte. Die Frevelthaten, welche auf dem Geschlecht der Boberstein lasteten und es gleich Furien umrauschten, waren durch die zahlreichen Opfer, welche die strafende Nemesis forderte, für immer gesühnt, und ein neues frischeres Geschlecht erblühte auf den Gräbern der Todten. –[362]

Quelle:
Ernst Willkomm: Weisse Sclaven oder die Leiden des Volkes. Theile 1–5, Leipzig 1845, S. 357-363.
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