Der Tobacksraucher

[113] Soll ich stets die trunknen Reben,

Soll ich nur den Gott erheben,

Der aus holden Augen blitzt?

Werd ich nie zu deinem Preise,

Pflanze, meine Lust! erhitzt,

Unterdeß der Thor und Weise

Beym verblasnen Rauche sitzt?


O wie viele güldne Stunden

Sind mir unbereut verschwunden,

Bey geliebter Blätter Glut!

Da empört mein rascher Wille

Sich für kein verderblich Gut:

Ich genieße süsser Stille;

Meine ganze Seele ruht.
[113]

Weg mit lärmendem Gepränge!

Wo ich mich durch Narren dränge,

Gähn' ich bey dem besten Wein.

Lächle, Venus! unter Thränen;

Sey die Mutter süsser Pein!

Aber zeuch mit deinen Schwänen,

Zeuch bey mir nicht sieghaft ein.


Ich beneide keine Krone,

Wann aus weißgebranntem Thone

Manch balsamisch Wölkchen dringt;

Und in meiner Muse Händen

Ihrer Leyer Scherz erklingt;

Oder höhern Gegenständen

Sich mein Geist entgegen schwingt.


Die geflügelten Gedanken

Fliehn des Wahnes enge Schranken:

Nur der Weise scheint mir groß.

Nur des Glückes falsches Lachen

Und sein oft entweihter Schoos,

Reichthum, Hoheit, (schlechte Sachen!)

Sind betrogner Thorheit Loos.


Flieht, Entwürfe grössern Glückes,

Die der Odem des Geschickes,

Wie den Sommer-Staub, verweht!

Flieht im aufgewölkten Rauche,

Der, wie ihr, sich stolz erhöht,

Und, wie ihr, bey schwachem Hauche

Schnell erscheinet, schnell vergeht!


Rauch ist alles, was wir schätzen:

Unser theuerstes Ergetzen,

Unser Leben selbst ist Rauch.[114]

Weht nicht über frische Leichen

Jedes Morgens kühler Hauch?

Viele werden heut erbleichen;

Und vielleicht ich selber auch.


Alles muß verlassen werden!

Nackend gehn wir von der Erden

In die öde Dunkelheit.

Was wir guts verrichtet hatten,

Folgt uns in die Ewigkeit,

Wann das blasse Reich der Schatten

Allen fremden Glanz zerstreut.

Quelle:
Johann Peter Uz: Sämtliche poetische Werke, Stuttgart 1890, S. 113-115.
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Sämtliche poetische Werke. Hrsg. von A. Sauer

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