103. Napoleon

[185] Den 15. Januar 1814.


Er fällt! ihn stürzet Gott der Allmächtige,

Der auf der Wage, welche Tyrannen wägt

Und Landesväter, mit umwölkter

Rechte den Frevelnden wog und leicht fand.


Er fällt! Vielleicht schon stäubet der Schnee vom Huf

Der schnellen Boten, welche, »verworfen sei

Vom Volke der von Gott Verworfne,«

Melden dem Aufgang und Niedergange.


O gebt die Ehre Gott dem Allmächtigen!

Vor seinem Hauch erstarrten in Nordens Schoß

Die Räuberscharen, fluchten sterbend

Dem, der allein wie ein Dieb entschlüpfte.


Entrinnen ließ ihn Gott der Allweise, weil

Sein Maß nicht voll war! ließ ihn den Taumelkelch

Bis zu den Hefen leeren! Schwindelnd

Schlürfte mit ihm das bethörte Volk noch.


Und neue Scharen schwirrten, wie Hornisse

In Sommersglut durch nordische Kiefern ziehn,

Gereizt und zahllos; noch vermaß sich

Stolzer Entscheidung der eitle Korse.


Entschieden aber hatte der Alte schon

Im Rat der Wächter; hatte der Weisheit Rat

Den Landesvätern, und der Eintracht

Sinn, und der Demut, ins Herz gehauchet.


Die Demut schaut gen Himmel, und geht einher

Mit leisem Fuß, doch unter der Wandelnden

Erbebt der Abgrund, seine Götter

Fahren geschreckt von den ehrnen Thronen!
[186]

Nicht so der Erde Götze von gestern her:

Er log noch Siege, träumte noch Herrschaft, zog

Mit Übermacht heran; da stürzten

Hin vor den Helden die Räuberscharen


Wie Wetter Gottes – siehe, noch rollt im Thal

Der Donner, und schon zücket der neue Blitz –

So folgten Sieg auf Sieg! Die Deutschen

Fühlten sich Helden in Kraft des Höchsten!


Manch zartes Weiblein hatte mit Heldenschwert

Den Mann gegürtet, Mütter die Söhne: »Geht

Mit Gott! Es gilt die Sache Gottes!

Vaterland gilt es, Altar und Freiheit!«


Ihm sei die Ehre, Dank Ihm und Lobgesang

Und frommen Lebens besserer Hymnus Ihm,

Dem Allbarmherzigen! Er stürzet

Stolze vom Thron, und erhöht die Demut.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 50,2, Stuttgart [o.J.], S. 185-187.
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