6. Landlied für Mädchen

[259] Seht, Gespielen, seht, die Flur

Blühet nur,

Um der Unschuld zu gefallen.

Laßt uns froh am Blumenrain

Und im Hain

Unter jungen Schatten wallen.


Durch der Wiese zartes Grün

Ringsum blühn

Tausend Blumenkelch' und Dolden,

Hell von Sonnenschein und Tau,

Himmelblau,

Rot und violett und golden.
[259]

Wählt die düftevollen aus,

Euch zum Strauß,

Daß er prang' am weichen Mieder.

Strebt der Busen aus dem Flor

Halb hervor,

Wall' er bergend auf ihn nieder.


Ohn' ein starres Staatsgewand

Eilt aufs Land,

Ohne Perlen und Geschmeide;

Freier hebt, voll Frühlingslust,

Sich die Brust

Unter leichtem Schäferkleide.


Unentstellt von Ziererei,

Los und frei

Laßt die langen Flechten hangen;

Und zerstreuter Locken Spiel

Säus'le kühl

Um die warmen Rosenwangen.


Schürzt euch leicht zum Reihentanz;

Biegt zum Kranz

Rosmarin voll blauer Blüte,

Und ein weit umschlungnes Band

Flieg' am Rand

Eurer gelben Halmenhüte.


Auf des Waldes Farrenkraut

Setzt vertraut

Euch zusammen; kos't und singet,

Bis des Abends falber Schein

In den Hain

Durch die Espenwipfel dringet.

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 259-260.
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