28. Abschied an David Heß

[354] Im Haag, den 19. Jenner 1790.


Freund! der bei des Busches Eichen

Lieber denkt, vom Mond erhellt,

Als sich zu den flitterreichen

Eiteln Höflingspuppen stellt;

Der das Bild geharnschter, braver

Schweizerhelden höher hält,

Als der heutigen Bataver

Panzerhelden auf dem Geld.


Stunden, deiner würdig, warten

Dein, auf Zürichs heitrer Flur;

Ihre Auen sind ein Garten

Für den Liebling der Natur.

Und das bist du! – Hochgefühle

Gab sie dir und Dichtungskraft;

Lehrte dich beim Saitenspiele

Töne sanfter Leidenschaft.
[354]

Aber sieh! Begeist'rung waltet!

Malt mir neue Bilder vor.

Sieh! Ein Mädchen, schlank gestaltet,

Schimmert durch des Schleiers Flor,

Eilet sanft, mit holder Scheue,

Auf den besten Jüngling zu,

Lohnt ihm Tugenden durch Treue;

Und der Jüngling – Freund! bist du.


O! was wirst du dann empfinden,

Tönt bei Nacht, im Schattengang,

In den hohen Limmatlinden

Einer Nachtigall Gesang.

Liebe, die den Winterwiesen

Und der Heide Blumen leiht,

Leiht auf Erden Paradiesen

Schon des Himmels Seligkeit.


Wonne wird dein Herz erheben,

Wandelst du im Erlenthal,

Oder bei des Hügels Reben

In der Sonne Scheidestrahl. –

Wann auf Schneegebirgen milder

Rosenfarbner Schimmer ruht;

Dunkler, purpurn, ihre Bilder

Strahlen in des Sees Flut.


Wo des Nebels matter Flügel

Nicht auf flache Sümpfe sinkt,

Und am grünen Tannenhügel

Klarer Quellen Füll' entspringt,

Wo in deines Gartens Linden

Reine, heitre Lüfte wehn,

Werd' ich, Bester! einst dich finden:

Lebe wohl! – Auf Wiedersehn!

Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 41, Stuttgart [o.J.], S. 354-355.
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