Hofnung glaub und lieb eins sophisten

[116] In der spruchweis Hans Sachsen.


31. mai 1539.


1.

Eins tags mich ein sophiste

fragt durch sein hinterliste,

wo glaub hofnung und liebe

im neuen glauben bliebe?

ob sie weren verdorben,

entlossen oder gstorben?

Als er mich tet vexieren,

dacht ich: mein disputieren

wer im nur ein gespöte,

darum ist mir von nöte,

auf sein spotliches fragen

sein spoten, und tet sagen:

»Die erst frag zu bedeuten,

der glaub ist bein kaufleuten;

wo die im lant umwandlen,

sie nur auf glauben handlen,

verborgen, kaufen, stechen,

verkaufen, zalen, rechen.

welch kaufman nit helt glauben

tregt nit lang mardren schauben.
[116]

2.

Zum andren die hofnunge,

die wont bei alt und junge,

beide, bei man und frauen,

die ie das berkwerk bauen;

die hoffen all, auf erden

durch berkwerk reich zu werden,

Vil guckes zu verlegen;

so in glück stet entgegen,

vil zubuß geben müßen,

vil geldes mit einbüßen;

noch tuts hofnung erneren,

es werd sich balt verkeren

Wan dan ein grub wirt fündig

mit silbererz ausbündig,

sich balt abschneidet wider,

noch ligt hofnung nicht nider,

wagt den sack an die ruben,

zu bauen die erzgruben;

hofnung weicht oft nicht abe,

bis an den bettelstabe.


3.

Zum driten auch die liebe

bein trunkenbölzen bliebe,

beim bier und bei dem weine,

da sie stets schenken eine,

und tuns einander bringen

mit juchzen und mit singen

Jeder günt seim zechbruder,

das in im steck ein fuder,

das er wirt sat und vole,

meßen einander wole

mit kandel und mit krausen;

die lieb tut bei in hausen,

Wan einer tut undeuen,

noch tut in keiner scheuen,[117]

den kopf halten im zwene,

welcher nit heim kan gene,

die andern in heim füren.

da tut man die lieb spüren.«

als ich die antwort gabe,

da zug der sophist abe.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 116-118.
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