Ein schone schulkunst, was ein singer sol singen

[10] In dem langen ton Wolframs.


13. mai 1515.


1.

Mein herz das mag nit rue han,

darum so wil ich heben an,

zu singen hie auf diesem plan,

wiewol ich nit kan iederman

singen und das im freude geit;

es ist mir leit,

seit ichs nit kan volbringen,

Das doch zimt einem singer frei,

das er sol künnen mancherlei

auf das, wu er bei leuten sei,

das er mit süßer melodei

den leuten sing, was man beger;

so ers gewer,

der mag mit preis gelingen.

Mancher der tut das selbig nicht

und singt allein aus musica der kunste,

darmit er sich herfüre bricht,

und ist doch solch materi gar umsunste,

wan der zehent sein nit verstat;

seins gesangs kein genad man hat,[10]

gespöttes man ob im nit lat;

darum so wer der beste rat:

ein singer ließ sein kunst mit ru,

bis er kum zu

wu meistersinger singen.


2.

Bei den sing er von meisterschaft

und von der siben kunsten kraft;

ist er mit rechter kunst behaft,

so bleibt er von in ungestraft;

bei andren leuten zimet bas

zu singen das,

was ich hernach wil sagen.

Des nem ein ieder singer war,

wo er ist bei der glerten schar,

so sing er von der gotheit klar

und von der meit, die got gebar,

und aus der heiligen geschrift,

was sie antrift;

gift sol er nit zutragen.

Wo er ist bei dem adel gut,

so sing er nit von solchem disputiren,

sunder sing in aus freiem mut

von rennen, stechen, kempfen und turniren,

von fechten, ringen, springen vil,

von jagen, baisen, wie man wil,

von solchem ritterlichen spil

manche historia subtil;

kan er das meisterlichen, do

sein herz wirt fro,

so er tut preis erjagen.


3.

Weiter gib ich dem singer ler,

wan er bei schonen frauen wer,

der sing von scham, zucht unde er

sein lob wirt im gepreiset mer.[11]

den bauren sing er von dem pflug,

das ist ir fug,

klug, was zu felt geschichte;

Auch von der lichten sumerzeit.

den kriegsleuten sei er bereit

zu singen von stürmen und streit;

den kaufleuten von landen weit,

von merk und steten ane zal,

von berg und tal;

alles lob man im jichte.

Dem trinker sing von gutem wein;

dem spiler sing von würfel und von karten,

des mag sein herz wol frölich sein;

dem buler sing von schönen frauen zarten.

also hab ich ein klein erzelt,

wie sich ein singer halten selt,

wu er das sein gesang erschelt,

darmit groß preis erjagen welt,

der sing was iederman zukert,

was man begert,

lert in Hans Sachsen dichte.

Quelle:
Hans Sachs: Dichtungen. Erster Theil: Geistliche und weltliche Lieder, Leipzig 1870, S. 10-12.
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