Dem Kronprinzen von Bayern

[507] Es schlummert längst mir im Heiligtum bildender Kraft

An dich, o Fürst, ein Gesang,

Dem vaterländischer Zukunft Bürgschaft verliehn das Geschick,

Der du selbst in der Brust die Glut melodischer Dichtung

Hegst, dem Vater Gleich, und der Kunst tiefsinnige Meister liebst,

Die mit holdem Zepter das Volk, den Herrschenden ähnlich,

Lenken; aber Verständnis folgt

Oft erst dem beschwingten Klang zu Fuß nach.


Vor Allen foderte mich zu Liedspendungen auf

Das Wort des würdigen Freunds,

Der mir von frühester Kindheit stets hieß der treuste Genoß,

Aber nun an der Seite dir mit freundlichem Rat steht. –

Offen liegt ein mächtiges Feld vielkundigem Dichter, der

Deines Hauses Glanz und den tausendjährigen Ruhm wälzt;

Denn bereits Diademe trug

Dein Stamm in der sagendunklen Urzeit:


Als König waltete Garibald, hohen Geschlechts,

Im reichen Bojergefild

Weitherrschend einst, wo der Inn stolz hinwallt mit reißendem Zug,

Dem zuletzt in der Schlucht sich mischt der stilleren Donau

Ebner Flur entsprudelter Strom. Aufnährte das schönste Pfand

Garibald, der lieblichen Tochter bräutliche Schönheit:

Theudelinden umwarb indes

Hochsinniger Fürstensöhne Schwarm rings.
[507]

Es wirbt der fränkische Childebert. Autharis auch,

Der longobardische Fürst,

Hoch ragt er unter der Mehrzahl siegskühner Freier empor

Der das wehende Banner aufgepflanzt an der Spitze

Rhegiums, (getrennt von der fruchtbarn Wurzel des Ätnabergs

Durch der Skylla Hundegebell und kochenden Meerschwall).

Doch Pavia verläßt der Fürst,

Nordwärts, an der Etsch, den Strom hinauf zieht


Er wohlgemut, in der Brust den sehnsüchtigen Wunsch. Verkappt in Botengestalt

Sieht Bojoarien ihn. Schon tritt aus dem Frauengemach

Theudelinde, geführt von Garibald, und dem Fremdling

Beut sie gar, der Sitte gemäß, Willkomm in dem Festpokal:

Als das Glas empfing der vermummte Fürst von der Jungfrau,

Ihr die Hand mit gelindem Druck

Rührt sanft er und seufzt: O Theudelinda!


Geringer scheint die verschwiegne Schmach, Allen entrückt:

Die kluge Schöne verbirgt,

Blaß zwar vor Schrecken, des Gastfreunds Wagstück ins tiefe Gemüt.

König Autharis freit, in Königs Autharis Namen,

Jene nun, und gerne gewährt, huldreich, die erwählte Braut

Garibald. Es giebt das Geleit dem werbenden Fremdling

Schlanke, boische Heldenschar

Durchs Alpengebürg ins süße Welschland,


Wo Phöbus früher die Traube reift, Jünglingen auch

Die Schläfe männlicher bräunt.

Als auf der steinigen Grenzmark abschiedlich boten den Gruß

Wechselseits der Geführte selbst und Die, so geführt ihn,

Schwang das Beil der reisige Held kraftvoll in behender Faust;

Tief im Stamme wurzelt es fest des mächtigen Ahorns:

Solche Streiche, wie der, vermag

Bloß Autharis auszuteilen, rief er,


Und kenntlich Allen entschwand der gelblockige Fürst.

Es reichte darauf dem Gemahl

Bald Theudelinde den Brautring. Stets trügt jedoch des Geschicks

Gunst die Sterblichen, sein sie niedrig oder an Macht groß:

Authars Blume welkte dahin frühzeitig an schnödem Gift,[508]

Das der Nebenbuhler, ein Sohn der tückischen Brunhild

Jenem sendete, Childebert;

Doch pflegte des Reichs die Bojoarin.


Sie trug den seltenen Schatz der Weisheit im Gemüt,

Es dient' Italien ihr.

Oftmals begründeten Fraun manch herrschaftsgewaltiges Reich,

Weil dem Männergeschlecht an klugem Sinn sie voranstehn:

(Wohl bezeugt's der späteren Zeit England und Elisabeth,

Kämpfe nahm die Tochter des sechsten Karls mit der Welt auf,

Moskowitische Geißel schwang

Siegreich die entmenschte Messalina.)


Die longobardische Königin teilte dem Volk

Gerechte Satzungen aus,

(Heilvoll ergänzt des Naturtriebs Wildheit das weise Gesetz,

Das der Blüte des Menschengeistes herbere Frucht ist)

Während rings der Menge sie kundtun ließ des Erlösers Wort:

Endlich schickt Gregorius ihr, der heilige Welthirt,

Jene Krone von Eisen zu,

Nachwachsender Helden höchstes Kleinod.


Es fliehn in rascher Geburt die Weltlose dahin,

Es wechselt Leben und Grab.

Uns nächste Zeiten, o Herr, sahn nochmals ein blühendes Weib,

Deines Stamms in dem Fürstenstuhl der mächtigen Ahnfrau:

Theudelinden Glich sie an Form, reizvoll wie ein Strahl des Lichts,

Nicht an Glück. Es fallen des übermütigen Schicksals

Würfel tückisch und ungestüm,

Umwälzenden Tagen stürmt Gefahr nach;


Und wird zum Schwerte der Pflug, so bricht Königen selbst

Entzwei der güldene Reif.

Graunvoll zerstört der Gewalt Bergsturz rings die Fülle des Tals:

Wohl erfuhr's die erhabene Frau, des fränkischen Ehbunds

Opfer, ja, die Tochter sogar, jenseitig des Ozeans

Eines Kaisers Braut an der palmenschattigen Meerbucht.

Doch im Munde des Dichters lebt

Gleichreizend und ewig Heil und Unheil.

Quelle:
August Graf von Platen: Werke in zwei Bänden. Band 1: Lyrik. München 1982, S. 507-509.
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