12. Ueber das Absterben Herrn Adams von Bibran auff Profen unnd Damßdorff; auß dem Italianischen seines Herrn Brudern Abrahams von Bibran auff Woitßdorff

[39] Stro. 1.


O, Die selig' edle Seele,

Die sich in die wahre Ruh

Nach dem hohen Himmel zu

Auß deß Leibes finstern Höle

Freudig hat hinauff gemacht!

Da sie dann, wie bey der Nacht

Vor den andern kleinen Sternen,

Phebe selber, gläntzt von fernen,

Da sich Gott ihr umb und an

Zeigt zu sehn und zu geniessen,

Da sie mit nicht-Menschen-Füssen

Das Gestirne tretten kan.


[39] Antistro. 1.


Wie die Ulmen durch die Reben

Mehr als sonsten lieblich seyn,

Wie der Lorberbaum den Schein

Seinen Wäldern pflegt zu geben,

Also war auch deine Zier.

Pallas weinet für und für,

Ceres, voll von Weh' und Zehren,

Leget ihren Krantz von Aehren

Und die Sichel hinter sich;

Prosen, deine Lust und Freude,

Lieget gantz vertiefft in Leyde

Und gedencket nur an dich.


Epod. 1.


Das auch betrübte Graß beklagt dich bey den Brunnen,

Für das reiche Korn

Wächset Tresp' und Dorn;

Es trauert selbst das Rad der grossen Sonnen

Und hüllet umb sich her der Wolcken schwartzes Kleyd;

Tranck und Essen

Wird vergessen

Von aller Herd' und Vieh' ohn Unterscheyd.


Stro. 2.


Berg' und Thäler hört man ruffen,

Bibran, Bibran, Tag und Nacht;

Aber nein, deß Todes Macht

Läßt sie gantz vergebens hoffen.

Wird der Klee zu Winters Zeit

Durch daß Eiß gleich abgemeyt,

Sehen wir ihn doch im Lentzen

Nachmals auff den Auen gläntzen,

Täglich fellt die Sonn' ins Meer,

Scheinet aber morgen wider;

Legt ein Mensch ein mal sich nieder,

Er kömpt nimmer zu uns her.


Antistr. 2.


Wil derwegen uns gebühren

Wie es möglich nur mag seyn,

Sein Begräbniß und Gebein

Allenthalben außzuziehren

Mit dem frembden Tulipan,

Tausendschön und Majoran,

Mit Violen und Narcissen,

Mit den Blumen bey den Flüssen

Die vom Mertzen sind genand.

Sonderlich soll ihm sein Leben

Auff das Neue wieder geben

Der Poeten weise Hand.


Epod. 2.


Ihr keuschen Lorberstreuch', an denen gäntzlich lieget,

Daß ein Mensch, der schon

Muß allhier darvon,

Doch in der Grub' ein ewiges Lob krieget,

Schaut, daß ihr für den Tod dem edlen Cörper hier

Gleichfals rahtet,

Und umbschattet

Mit grüner Lust sein' Asche für und für.

Quelle:
Martin Opitz: Weltliche und geistliche Dichtung, Berlin und Stuttgart [1889], S. 39-40.
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