Vierter Auftritt

[14] Leim – dann Knieriem – dann Zwirn.


LEIM mit einem Felleisen, tritt gleich nach der Verwandlung auf. Da wär' ich beim Tor. Es ist aber, soviel ich merk', eine ungefällige Stadt; denn wenn sie gefällig wär', so wär' sie mir auf halbem Weg entgegengekommen. Im Grund betracht, ist's a Schand, ich bin ein ausgelernter Tischler, und es gehn mir ordentlich d' Füß aus'n Leim. Ist's denn aber anders möglich? Die Wirt' auf der Straßen haben ja Herzen, so hart als ein Ast in ein buchsbaumenen Pfosten. Woher kommt das aber? Weil die Leut' keine Bildung haben auf'n Land. Und warum haben s' auf'n Land keine Bildung? Weil s' lauter eichene Möbeln haben, drum kennt das Volk keine Politur; und wer keine Politur kennt ist ein Sozius. – Jetzt will ich halt a bissel ausrasten da, und nachher um d' Herberg frag'n. Setzt sich auf die Bank.


Das Ritornell des folgenden Liedes beginnt. Knieriem, ein Ränzchen auf dem Rücken tritt auf.[14]


KNIERIEM.

Es kommen d' Stern, es wird schon spat,

Zeit is, daß s' einmal da is d' Stadt,

Ich brauch' ein Guld'n jetzt zum Verhau'n,

Da muß i gleich zum Fechten schau'n.

Und wie i ein Guld'n z'sammbettelt hab',

Da laßt's mir drei Maß Bier hinab,

A drei Maß Bier laßt's mir hinab.

Mein Rausch hab' i jahraus jahrein,

Es wird doch heut kein Ausnahm sein.


Er setzt sich auf die Bank rechts.

Die Musik verändert sich. Zwirn tritt von derselben Seite ein, er ist abgeschaben, aber dennoch so viel wie möglich geputzt, und trägt ebenfalls den Wanderbündel auf dem Rücken.


ZWIRN äußerst lustig.

D' Stadt ist in der Näh',

Drum schrei' ich Juheh!

Juheh! Juheh! Juheh!

Wer d' Madeln gern hat,

Find't g'nug in der Stadt,

Juheh! find't g'nug in der Stadt.

Blauer Montag is alle Tag,

Darum laß ich nicht nach,

Bis die Sonn' morgen scheint,

Grad so lang' tanz' i heunt;

Ich tanz' mir doch nit g'nu,

Darum gib ich kein Ruh',

Spring' wie a Gas in d' Höh,

Und schrei' Juheh!


Was sitzen denn da für ein paar Maner?

LEIM. Ich bin ein Tischler.

KNIERIEM. Und i bin a Schuster.

ZWIRN. Seid's ös schon so weit gangen heut, daß's so müd seid's.

LEIM. Das just nit, aber mit'n Essen hat's schlecht ausg'schaut. Ich hab' nit mehr als zwei Meilen g'macht.[15]

KNIERIEM. Und ich hab' mir eine halbe Stund von hier ein Rausch ausg'schlafen, das war aber schon ein Millionhaarbeutel das – und was hab' i trunken? Neun Halbe Bier; aber seit dem letzten Kometen greift mich alles so an.

ZWIRN. Pfui Teuxel! Schamt's euch nit? Auf so ein Trümmerl Weg rasten s' aus! Ich geh' heut' schon meine drei Stationen, und kann den Augenblick nit erwarten, wo ich zum Tanzen komm'.

LEIM. Hör auf, Brüderl, du schneid'st auf. Ich bin g'wiß nit schlecht auf die Füß; aber drei Stationen gehn, und noch tanzen woll'n, das is g'log'n. Jetzt schaun wir halt, daß wir g'schwind auf d' Herberg kommen.

KNIERIEM. Ich hab' einen enormen Durst.

LEIM. Zuerst gehn wir fechten. Das Betteln parodierend. Euer Gnaden, ein armer reisender Handwerksbursch bitt gar schön um a bissel was auf a Musik; nachher wird's ein Leben werden heut nacht.

ZWIRN. Fidel muß's zugehn.

KNIERIEM. Ich dudl' mir heut ein an, wie ich seit'n letzten Kometen kein g'habt hab'.

LEIM. Also frisch in die Stadt marschiert.

ALLE DREI.


Lied.


Wir wollen in die Stadt marschieren,

Und drinnen unser Glück probieren.

Der Weg wird uns zur Herberg führen,

In der Herberg nacher da geht's an.

Was uns's Fechten g'winnt,

Durch die Gurgel rinnt,

Und is all's vertan,

Liegt uns a nix dran;

Darum nicht lange spekulieren,

In der Herberg zeigt sich was man kann.


Gehen Arm in Arm ab.

Verwandlung.

Schenkstube in der Herberge.[16]


Quelle:
Johann Nestroy: Werke. München 1962, S. 14-17.
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