Hirtenfeuer

[115] Ließest unter uns dich nieder,

Liebe, liebenswerte Frau,

Aber heute ziehst du wieder,

Wie die Sterne ziehn im Blau.


Siehst den Abendstern du blinken

Dort vor seinem Untergang?

Einen Augenblick im Sinken

Ruht er auf dem Bergeshang.
[115]

In der flüchtigen Minute,

In dem eilenden Moment

Ist's, als ob er gastlich ruhte,

Wie ein Hirtenfeuer brennt.


Aber nur die kleinste Weile

Bringt er auf der Erde zu,

Sieh – er zittert ja vor Eile

Und verschwindet, Frau, wie du.


Quelle:
Conrad Ferdinand Meyer: Sämtliche Werke in zwei Bänden. Band 2, München 1968, S. 115-116.
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