Elysium

[132] Hain! der von der Götter Frieden,

Wie von Thau die Rose, träuft,

Wo die Frucht der Hesperiden

Zwischen Silberblüten reift;

Den ein rosenfarbner Aether

Ewig unbewölkt umfleußt,[132]

Der den Klageton verschmähter

Zärtlichkeit verstummen heißt:


Freudigschauernd in der Fülle

Hoher Götterseligkeit,

Grüßt, entflohn der Erdenhülle,

Psyche deine Dunkelheit,

Wonne! wo kein Nebelschleyer

Ihres Urstoffs Reine trübt,

Wo sie geistiger und freyer

Den entbundnen Fittig übt.


Ha! schon eilt auf Rosenwegen,

In verklärter Lichtgestalt,

Sie dem Schattenthal entgegen,

Wo die heil'ge Lethe wallt;

Fühlt sich magisch hingezogen,

Wie von leiser Geisterhand,

Schaut entzückt die Silberwogen

Und des Ufers Blumenrand;


Kniet voll süsser Ahndung nieder,

Schöpfet, und ihr zitternd Bild

Leuchtet aus dem Strome wieder,

Der der Menschheit Jammer stillt,

Wie auf sanfter Meeresfläche

Die entwölkte Luna schwimmt,

Oder im Kristall der Bäche

Hespers goldne Fackel glimmt.
[133]

Psyche trinkt, und nicht vergebens!

Plötzlich in der Fluthen Grab

Sinkt das Nachtstück ihres Lebens

Wie ein Traumgesicht hinab.

Glänzender, auf kühnern Flügeln,

Schwebt sie aus des Thales Nacht

Zu den goldbeblümten Hügeln,

Wo ein ew'ger Frühling lacht.


Welch ein feyerliches Schweigen!

Leise nur, wie Zephyrs Hauch,

Säuselt's in den Lorbeerzweigen,

Bebt's im Amaranthenstrauch!

So in heil'ger Stille ruhten

Luft und Wogen, also schwieg

Die Natur, da aus den Fluthen

Anadyomene stieg.


Welch ein ungewohnter Schimmer!

Erde! dieses Zauberlicht

Flammte selbst im Lenze nimmer

Von Aurorens Angesicht!

Sieh! des glatten Epheus Ranken

Tauchen sich in Purpurglanz!

Blumen, die den Quell umwanken,

Funkeln wie ein Sternenkranz!


So begann's im Hain zu tagen,

Als die keusche Cynthia,

Hoch vom stolzen Drachenwagen,

Den geliebten Schläfer sah;

Als die Fluren sich verschönten,

Und, mit holdem Zauberton,

Göttermelodieen tönten:

Seliger Endymion!

Quelle:
Friedrich Matthisson: Gedichte, Band 1, Tübingen 1912, S. 132-134.
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