4.
Glückwunsch

[15] für seinen Bruder Friedrich David Lenz, Pastor in Tarwast, bei dessen Verlobung.


Ich seh euch schon im Geist, ihr liebenswerthen Beyde,

Ihr wandelt Hand in Hand durch Tarwasts frohe Flur.

Aus euren Mienen lacht nur Freude,

Und reine Lust und Lieb und Unschuld nur.

Euch wird der Lenz sich jetzo schöner schmücken,

Ihr findt ihn auf der Flur, findt ihn in euren Blicken.

Euch wird der Bach jetzt mit mehr Anmuth rauschen,

Mit froherm Ohr werdt ihr aufs Lied der Wälder lauschen,

Und mit entzückterm Blick, werdt ihr von goldnen Höhn,

Die Morgensonn zur Erde lächeln sehn.

Und naht der stürmsche Herbst und tobt der kalte Winter

So wird nur euer Herz und eure Lieb entzündter;

Im ländlich stillen Sitz werdt ihr, auch ganz allein,

Auch unter Schnee und Sturm, euch durch euch selbst erfreun:

Und wird denn in der Stadt der Tag zu trübe seyn,

Dringt ihm die Nacht zu früh herein,

Wird er des Abends Länge scheun:

Dann werdet ihr bey sanftem Lampenschein

Euch selbst Gesellschaft, Lust und Scherz und Frühling seyn.

Wird euch ins künftige ein neues Glücke lachen,

So werdet ihr vereint, es euch noch süßer machen:

Und naht ein Unglückssturm euch zärtlichen Erschrocknen,

So wird des einen Trän des andern Tränen trocknen.

Und einst wenn Jahre euch, wie Tage hingeflossen,[16]

Und ein unschuldig Kind hält eure Knie umschlossen

Und stammelt seinen Seegen euch:

Dann ist nicht Ehr und Gold, dann ist nicht Trohn und Reich,

Dann ist kein Glück dem euren gleich.

Dann soll sich eur Geschlecht dem unsrigen begegnen

Und unsre grauen Eltern seegnen:

Dann wollen wir uns freun, wie sich ein Engel freut,

Voll Wemuth und voll Zärtlichkeit,

Voll Wonne und voll Dankbarkeit. –

Und werden einst... Gedank voll Bitterkeit!

Und werden einst sich eure Augen schließen,

(Doch dann erst, Gott! wenn sie das Alter halb schon schließt)

Dann drückt mit traurigen und doch noch traurig süssen,

Und euch im Tod noch angenehmen Küssen

Euch eure Augen zu. – O Bild voll Schmerz! Dann fließt!

Ihr Tränen meiner Wang, fließt um sie! Dann begießt

Ihr mir geliebtes Grab, aus seiner Erde schießt

Dann eine Ros herfür, die traurig reitzend blühet,

In der mein Aug das Bild von ihrer Ehe siehet.

Dann sag ich – – – doch mein Lied, zu traurig Lied! halt ein!

Sonst muß ich dieses Blatt mit Tränen überstreun.

Quelle:
Jakob Michael Reinhold Lenz: Gedichte, Berlin 1891, S. 15-17.
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