Der 14. (74. 149.) Kühlpsalm

[338] Darinnen er ernst zu Gott bat vor alle Gegenfiguren des gantzen Kühlpsalters, zum ewigem zeugnisse seiner Libe gegen alle, und hertzinniglichen unschuld seines Eifers, im Nordcrith den 25 Mertz 1687.


1.

Herr Jesu Christ, lass keinen sein verlohren

Um meinetwegen hir und dort in Ewikeit!

Ob es weit besser wär, das nimand widerstanden,

Und nigetragen hätt di falsche Weltfigur.

Doch wi dort Benjamin zur ehre gleich gesteller,

Als Joseph sich verklährt, das er der Joseph sei:

So wird di gantze Schaar auch meine Unschuld liben,

Wann si das ende schaut von deinem Libesspil,

Di nicht halsstarrig sind im hertzen ihrem Schöpffer,

Den selben sei geschenkt vergebung aus Genad.


2.

Ich stig di leiter auf durch dich als meine stütze,

Und kam so weit alleine dir zur ehr!

Ich überwand di Feind in Grossen und in Kleinen,

Weil du warst meine Hülf, mein Schutz, mein Schirm, mein Heil!

Drum ist nunmehr vollendt der Kühlzeit Davidswunder

Durch Dich aus Dir, zum Wunder dem Geschöpff!

Si wusten nicht, was si mit mir getriben,

Und eilt ich fort in Einfalt zu dem Centrum!

Ein ider stos und fall rükkt mich geschwinder hin,

Das ich in grösser Eil zu den Kühljubeln eilte.


3.

Di gantze Welt zerfällt, zerschellt im bann,

Wo Du Genade nicht stat rechten Rechts ertheilest!

Wer würde doch von allem Volke seelig,

Wo di Barmhertzikeit aus Jesu hertz ni hülfe?

Di Auserwähleten di schiden von dem Leben,

Und wär dann keine saat zur Nachzeit übrig mehr!

Wi sollte nicht di Höll, eh ihre zeit, entstekken,

Wo nicht di zeit an zeit und ihrem zil verkürtzte?

Drum schrei ich hoch, aus Dir in Dir gereget,

Das du vergeben wollst, mein Vater Feind- und Freunden


4.

Der Pabst vergifftete di Kirch mit seinem trug:

Der Apap kehrt si um, und würde noch verkehrter.

Der Pabst verenderte di zehngebot in eines,[339]

Wi di Brigitta sprach, das heist: Gib geld, Gib geld.

Dem Apap fehlt nur Rom bei Luthrischen, Calvinschen,

Sonst schlüss er lügen mehr, als das geldsichtge Rom.

Der Pabst ists grosse Thir, di andern sind di Wölfe:

Di Plagen wachsen an aus ider Plages schaal.

Di neuen Wölfe sind stets flimmer als di alten:

Si fressen allesamt sich unter Lammsform auf.


5.

Dein Geist wird noch geduldt beim Römschen Antichrist,

Wo er nicht schreiet an heut den verfluchten Stuhl.

Di Michaelis kan durch Judic Rath frei wandeln

Zur Kirch und Abendmahl bei Rom in einem freigemüt.

Allein Luther verwünscht Propheten, Prophetinnen:

Baut auf den eignen Kopff di eigne Meinungs lehr.

Drum stösst man Engelbrecht von seinem Lutherthum,

Ob Braunschweig sich zuerst ob ihn so hoch entsätzt.

Calvinens bitter Werk vom Nachtmahl und vorsehung

Verderbt den gantzen grund der innern Christenheit.


6.

Wi, Blinde! Sollt ihr Gott an eure Meinung fassen?

Macht ihr gesätz nach eurem eignem sinn?

Gingt ihr vom Pabstthum aus, das ihr sollt schlimmer lehren?

Vermischen gutt und bös in einem eignem klumpen?

Wer gab euch Witz darinn zuendern Gottes Kirche,

In was euch Gottesgeist so gar hochunbekand?

Da Paulus demuttvoll sein Wort scheidt vom befehl,

Müsst ihr eur eignes Wort vorsätzen Gottes befehlen!

Ihr fusset auf die Schrifft, di ihr so wenig kennt:

Vermengt dictirtes wort mit geistbegrifnen worten.


7.

Matthäus schrib sein Buch als Christi sein Apostel,

Nachdem begrif, den ihm sein Christ gegeben.

Marcus schreibet als ein Jünger von den Jüngern,

Voll Warheit, was er hat gehöhrt aufs allerkürtzte.

Lucas redt geschichte als ein treuer Schreiber;

Fänget deutlich zuerzählen, was ihm deutlich ward erzählet.

Johann schwingt tiffer sich voll Christuskrafft und weisheit:

Spricht das vergesne aus nach seinem Lichtverstand.

Denn kein Evangelist beschrib, was ihm vom Geist ausdrükklicb gedictiret,

Weil di geschehne sach erfodert kein solch schreiben.
[340]

8.

Petrus schreibet seine brife als ein Lehrer Christi Kirchen:

Paulus stellet gutten Order nach der gabe, di ihm ward.

Allen war es meist verborgen, das si machten dann Schrifftbücher,

Und das der neue Bund sei solche lange zeit.

Paul meldt an den Timoth vom Pergamen und Mantel,

Nach Gotts geheimen Rath, zum zeugnis difem Babel.

Welch Schreiber würde doch in einem buch derbücher

Privatgemeines ding anrühren?

Di Babel sihet nicht, das si sei gantz verwirret,

Weil Christi Geist von Christen weggewichen.


9.

Di Offenbahrung ist di einge göttlich Schrifft,

Di dem Johann gezeigt nach worten und nach werken.

Drum ist vom Teufel si und Babel so befochten,

Weil Gottes Geist in ihr im vollem Geist und wesen.

Was ein Apostel schrib privat, als Mensch nach seiner kentnis,

Dises must voll aberglauben, gleich als Schrifft, sein angenommen:

Was Gottes Geist dictirt dem libsten Jünger Jesu,

Solches ward von Damasisten nach beliben nur erklähret.

O unweise der unweisen! Wer befahl euch machen schlüsse?

Sehet, was vor ärgernisse eure Torheit angerichtet.


10.

Christen, wart ihr Christi Folger,

Und vermenget alle Schrifften so vermengt der beiden bünde?

Heuchler, sollt ihr flikken di Confessionen

Aus disem, jenem wort, von disem, jenem Buch?

War Christi leben nicht der allerreinste Spigel,

In dem ihr Christi Wort durch Christi Geist könnt sehen?

Ihr seid von Christi weg gelauffen gäntzlich weg,

Und habt ein neues Kalb mit Arons Rom gebaut.

Moses kommt vom Berge voller eifer:

Würget seine falsche Führer; pulvert ihnen ihren götzen.


11.

Herr Jesu, solches Falsch erwekkte disen Rauch,

Vor dem man mochte nicht di heilge Warheit schauen.

Daraus entsprung dis hochverdammte babeln,

Das alt und junge blind in ider besten Sect.

Drum ward dein Wort der Kühlzeit ihnen irrig,

Weil ihre Schrifft ohn Schrifft, ihr Tempel sonder Tempel.

Disputiren, Doctorwerden

Manche lesung mancher lesung ineinander zuverwirren,[341]

Heisset heute grosse Gottheits Lehrer;

Christi Warheit, Christi Klarheit ist bei allen nicht zufinden.


12.

Ider, der von dir geschikket,

Bildt sich gleich vor deinen Baum, da er nur ein kleiner Ast!

Alle wollen disen, jenen,

Und sind im ende noch weit gifftiger als alle.

Wo Böhmen aufgehöhrt, als er mein zeugnis trug,

Das zehen kaum in rechnung Millionen;

Da gehet keiner fort, weil si voll eigenwille.

Drum ward unmöglich mir bei disem Volk zustehen.

Frevler Hochmutt his di wesentliche quelle,

Aus der unendlich schöpfft dein Sibenrad dein Wunder.


13.

Libster Vater, höhr in Jesu mein begehren!

Vergib, vergib den grossen, mittlern, kleinen!

Weil dise zeit ein schaum von allen bösen zeiten,

So sei Vergebung auch geboten ohne mas.

Doch Feur und Licht erschein in gleichen kräfften!

Wer spilen wil mit uns, den fresse gantz dein zorn!

Das böse glid, so der Kühlpflaster spottet,

Sei abgehauen gleich mit unerhöhrtem ernste!

Dann bebt der Erdenkreis! Di blinden Völker, kommen!

Ein ides Wort geschicht an idem Ort und Land!


14.

Lass mich als deinen Knecht nun recht ersehn von allen,

So mehren si di schuld, wo si nicht kehren um!

Um dis, was noch geschehn, sei keiner gantz verworffen,

Weil si mich triben fort so schnell zum Port und Ruf.

Wo Satan aber voll in ihrem hertzen nistelt,

So geh aus flamm und feur vom Himmel und von Erd!

Kein schonen sei in allem meinen schonen.

Wann si des Teufels saat mit rath und that einpflantzen!

Si fahren dann lebendig zu der höll,

Wi der vom Predigstuhl, der Paulum trutzig lügen straffte.


15.

Zeug, Himmel! Erde, Zeug! Ich habe keinen Feind

Als der zum Gottesfeind sich offentlich wil machen!

Vergebung ist von Gott im höchstem grad begehret,

Dergleichen kein Prophet vor seine Feind begehrt,

Di Thoren öffnen sich aufs neu durch Christ vor alle:

Ein allgemein Pardon trifft grosse und di kleine![342]

Ein allgemeiner zorn beschlüsse disen Act.

Wo Gottes nahmen mehr geschändt in Kühlpropheten!

Wir richten auf die Schlang in Jesu Christi nahmen:

Wer si noch sihet an, sei gleich der straffe ledig.


16.

Brüder, Schwestern! Seid gebeten!

Macht ein ende vom vertreten!

Lasset eure eigne köpffe sinken.

Wo ihr nicht im Zorne wollt ertrinken!

Gebet dem Allmächtigen di Ehre:

Nehmet freudigst an di wahre lehre.

Werdet Christi Knechte, Freunde, Kinder:

Bleibt nicht länger solche grobe Sünder!

Alle Schätze allerhöchster gaben

Werden zeitlich, ewig euch erlaben.


17.

Weicht, Hauptverfluchten, Weicht, di ihr der Gnaden schertzet!

Unendlichgrauser grimm hatt ewig euch gestertzet!

Heulen, zittern, jammern, klagen

Folgen billichst eure plagen.

Ein Centnerhagel fällt herab vom Gottes thron;

Gibt den Verrächtern nun den hauptverdinten lohn!

Di Erde wird erlöst von dem verdammten samen,

Di unverhofft das end, eh si vermeint, bekamen.

Triumfstriumfstriumf vil millionenfach!

Weh, Zeter, Schrekken, fluch mit einem ewigst Ach!


Quelle:
Quirinus Kuhlmann: Kühlpsalter, Band 2 (Buch 5–8 u. Paralipomena), Tübingen 1971, S. 338-343.
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