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[209] 1870
Man sagt, daß in der Völkerschlacht,
Wo donnern Stück und Wagen,
In schmelzenden Gesanges Pracht,
Als wär der schönste Lenz erwacht,
Die Nachtigallen schlagen.
In Busch und Baum die Schlacht entlang,
Verborgen in den Wettern,
Wetteifernd mit Drommetenklang
Und der Gefallnen Wehgesang,
Hört man die Triller schmettern.
[209]
Sie halten den Streit für Frühlingslust,
Den Tod für holdes Minnen,
Sind keiner Sorge sich bewußt –
Da fährt das Blei durch ihre Brust
Und reißt das Nest von hinnen.
So war's, als des Jahrhunderts Tor
Aufsprang mit ehrnen Pforten,
Ein roter Morgen trat hervor,
Mit ihm ein endlos langer Chor
Von blutenden Kohorten.
Was tausendjährig, sank in Staub
Wohl unter ihren Schritten,
Und Glück und Staub des Cäsars Raub,
Er selber dann wie falbes Laub
Knirscht' unter des Siegers Tritten. –
Da saß ein stiller Mann im Land,
Dem war Gewalt gegeben,
Zu wirken mit gefeiter Hand
Ein tausendtönig Zauberband
In das empörte Leben.
Er goß des Wohllauts süßen Wein
Aus über die Wogenheere;
Mocht noch so laut die Brandung schrein,
Doch stärker klang sein Spiel darein,
Wie Orgelton am Meere.
Nicht sorglos wie die Nachtigall
Hat er sein Lied gesungen;
Es war der großen Klage Schall,
Die Menschenherz und weites All
Geheimnisvoll durchdrungen.
[210]
Der Klage, die mit höchster Kraft
In Freude dann sich wendet
Und die, den Sternen kühn entrafft,
Den letzten Kranz der Meisterschaft
Dem sel'gen Sänger spendet.
Vorüber zogen hundert Jahr,
Seit er ans Licht geboren;
Hin ist die Welt, die mit ihm war –
Noch wandeln seine Sterne klar
Im Äther unverloren.
Noch hallt sein unsichtbares Haus
Und klingt von Meer zu Meere,
Und wieder haust des Sturmes Graus,
Geharnischt führt der Tod hinaus
Zahllose Völkerheere.
Ein Cäsar liegt – mit goldner Zier
Wird sich der Deutsche krönen;
Sein Donner grollt – doch ferne hier
In goldnem Frieden lassen wir
Des Zaubrers Lied ertönen.
Ausgewählte Ausgaben von
Gesammelte Gedichte
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