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Aber auch den Föhrenwald

Laß ich mir nicht schelten,

Wenn mein Jauchzen widerhallt

In dem sonnerhellten!


Heiter ist's und aufgeräumt

Und das Wehn der Föhren,

Wenn die Luft in ihnen träumt,

Angenehm zu hören.


Schlanken Königskindern gleich

Stehn sie licht im Bunde;

Jedes erbt sein Königreich

In dem grünen Grunde.


Aber oben eng verwebt,

Eine Bürgerkrone

Die Genossenschaft erhebt

Stolz zum Sonnenthrone!


Schmach und Gram umfängt sie nie,

Nimmer Lebensreue!

Schnell und feurig wachsen sie

In des Himmels Bläue.


Wenn ein Stamm im Sturme bricht,

Halten ihn die Brüder,

Und er sinkt zur Erden nicht –

Schwebend hängt er nieder!
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In den Stämmen oft ein Laut

Hallet einsam wider;

Üppig, wie das Farrenkraut,

Wachsen mir die Lieder!


Wie ein Quell versiegt der Schmerz,

Schwindet jede Grille;

Großen Unfug treibt mein Herz

In der Föhrenstille.


Weihrauchwolken ein und aus

Durch die Räume wallen –

Bin ich in ein Gotteshaus

Etwa eingefallen?


Doch der Unsichtbare läßt

Lächelnd es geschehen,

Wenn mein wildes Kirchenfest

Ich hier will begehen.


Quelle:
Gottfried Keller: Sämtliche Werke in acht Bänden, Band 1, Berlin 1958–1961, S. 29-31.
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