Kantate

[556] Beim Kirchgang der regierenden Herzogin von Sachsen-Weimar und Eisenach, nach der Geburt der Prinzessin Luise Auguste Amalie, im März 1779.


(Von fürstlicher Hofkapelle aufgeführt.)


Chor.


Lobet den Herren! Lobet den Herren!

Er giebt uns neuen Lobgesang

In unsern Mund

Und hebt auf Adlerschwingen unser Herz

Zu ihm empor.


Recitativ.


Des Landes Töchter, kommt

In Eurer Unschuld Perlenkranz!

Ihr Mütter, mit dem besten Schmuck

Der mütterlichen Freuden angethan,[556]

Und Väter, Jünglinge

Und Greise, wallet heut

Zu Gottes Tempel freudiger!

Denn Eure Fürstin, Eure Mutter,

Vom Himmel Euch geschenket neu,

Sie geht voran.


Chor.


Kommet, lasset uns anbeten

Und knien und niederfallen

Dem Herren, unserm Gott!


Recitativ.


Die Stunde nahete;

Wir flehten hier für sie.

Die Stunde kam, der Herr erhörte sie

Und sandte seiner Liebe Boten

Mit Himmelsfittigen, zu kühlen ihre Stirn,

Zu gießen neue Kraft,

Wie Thau auf Blumen träuft,

In ihres Lebens Kelch.

Und sie genas, umarmete

Die Tochter ihres Lebens

Und schloß sie an ihr Herz.


Chor.


Lobet den Herren! Lobet den Herren!

Er rettet seiner Treuen Seele

Und krönt mit Gnade sie.


Recitativ.


Wie die gesenkte Rose sich

Nach Nacht und Regen frischer hebt

Und blickt, der Freude Perlenthau

In ihrem Aug', empor

Und freut der neuen Sonne sich

Und blühet fröhlicher:

So hebt Luise heut

An unsers Fürsten Hand

Zu Gott ihr Aug' empor,

Des Dankes Thräne tiefgehemmt

Ins volle Herz,

Und knieet vor Jehovah's Thron[557]

Und beut der Mutter beste Gabe,

Ihr Kind, zur Tochter ihm.


Choral.


(Melodie: »Nun danket All' etc.«)


Erwache, lauter Lobgesang,

Erwache, Christenchor!

Denn über aller Sterne Klang

Geht Menschenstimm' empor.


Der Schöpfung goldne Harfe singt

Dem Ew'gen wunderschön;

Indeß die goldne Harfe klingt,

Hört er der Menschen Flehn


Und nimmt statt aller Sonnen Gold

Und aller Auen Duft

Die Thräne, die das Herz ihm zollt,

Und »Segen! Segen!« ruft.


Accompagnement.


Sie ist erhöret! Auf zum Throne drang

Der Seufzer laute Menge,

Umschlang in zärtlichem Gedränge

Des ew'gen Vaters Knie;

Und siehe, sieh!

Ein Engel schwang

Sich hell herab

Auf unsers Fürsten guter Väter Grab;

Und tritt vor ihre Bilder, den Altar,

Der ihnen über Gut und Namen

Hochheilig war.

Erfüllt ist Gottes Haus

Von seines Glanzes Widerschein;

Er spricht Weissagung aus!

Wag' ich's, sie nachzusingen? Er,

Der einem Fürstensamen

Zublicket: »Sei nicht mehr!«

Und spricht zum andern: »Meinem Namen

Sollst Du ein Palmbaum sein!«

Jehovah spricht zu sein- und ihrem Samen:

»Ich will mich an Dir freun.

Sei ewig mein!«


[558] Arie.


1.


In den Lüften rauschen nieder

Goldne Flügel. Alle singen:

»Ewig, ewig, ewig währet

Gottes Treu.«


2.


Und die Berge tönen wider,

Und die goldnen Auen klingen:

»Jede schöne Morgenröthe

Wird sie neu.«


1.


Wie die Sonne stehet mächtig

Gottes Macht!


2.


Wie der Mond erquicket freundlich

Seine Pracht.


(Von Anfang.)


Lobet den Herren!

Vater aller Dinge!

Der Brunn des Lebens thut von ihm entspringen

Gar hoch vom Himmel her aus seinem Herzen!

Lobet den Herren!


Ein Palmbaum blühet,

Seiner Edeln Same!

Der Zeiten letzte werden zu ihm sagen:

»In Deiner Krone blüht Jehovah's Segen!«

Lobet den Herren!


Quelle:
Johann Gottfried Herder: Werke. Erster Theil. Gedichte, Berlin 1879, S. 556-559.
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