Hymne an die Freundschaft

[166] An Neuffer und Magenau


Rings in schwesterlicher Stille

Lauscht die blühende Natur;

Aus des kühnen Herzens Fülle

Tönt des Bundes Stimme nur;

Leise rauschts im Eichenhaine,

Nie gefühlte Lüfte wehn,

Wo in höhrem Sternenscheine

Wir das ernste Fest begehn.


Ha! in süßem Wohlgefallen

Säuselt hier der Väter Schar,

Abgeschiedne Freunde wallen

Lächelnd um den Moosaltar;

Und der hellen Tyndariden

Brüderliches Auge lacht

Froh wie wir in deinem Frieden,

Schöne feierliche Nacht!


Heiliger und reiner tönte

Dieser Herzen Jubel nie,

Unter Schwur und Kuß verschönte,

Freundschaft! deine Milde sie;

Zürne nicht der Wonne Zähren!

Laß, o laß uns huldigen,

Schönste von Olympos Heeren,

Krone der Unsterblichen!
[167]

Als der Geister Wunsch gelungen,

Und gereift die Stunde war,

Da, von Ares Arm umschlungen,

Cytherea dich gebar,

Als die Heldin ohne Tadel

Nun der Erde Sohn so nah

Staunend in des Vaters Adel,

In der Mutter Gürtel sah,


Da begann zu Sonnenhöhen

Nie versuchten Adlerflug,

Was von Göttern ausersehen

Kraft und Lieb im Busen trug;

Stolzer hub des Sieges Flügel,

Rosiger der Friede sich;

Jauchzend um die Blumenhügel

Grüßte Gram und Sorge dich.


Blutend trug die Siegesfahne,

In der Stürme Donner schwamm

Durch die wilden Ozeane,

Wer aus deinem Schoße kam;

Deiner Riesen Wehre klangen

Bis hinab zur alten Nacht –

Ha! des Orkus Tore sprangen,

Zitternd deiner Zaubermacht!


Trunken, wie von Hebes Schale,

Kos'ten sie in süßer Rast

Am ersehnten Opfermahle

Nach der schwülen Tage Last;[168]

Göttern glich der Freunde Rächer,

Wenn die stolze Zähre sank

In den vollen Labebecher,

Den er seinem Siege trank.


Liebend stieg die Muse nieder,

Als sie in Arkadia

Dich im göttlichen Gefieder

Schwebend um die Schäfer sah;

Mutter! Herz und Lippe brannten,

Feierten im Liede dich,

Und am süßen Laute kannten

Jubelnd deine Söhne sich. –


Ha! in deinem Schoße schwindet

Jede Sorg und fremde Lust;

Nur in deinem Himmel findet

Sättigung die wilde Brust;

Frommen Kindersinnes wiegen

Sich im Schoße der Natur –

Über Stolz und Lüge siegen

Deine Auserwählten nur. –


Dank, o milde Segensrechte!

Für die Wonn und Heiligkeit,

Für der hohen Bundesnächte

Süße kühne Trunkenheit;

Für des Trostes Melodien,

Für der Hoffnung Labetrank,

Für die tausend Liebesmühen

Weinenden entflammten Dank!
[169]

Siehe, Frücht und Äste fallen,

Felsen stürzt der Zeitenfluß;

Freundlich winkt zu Minos Hallen

Bald der stille Genius;

Doch es lebe, was hienieden

Schönes, Göttliches verblüht,

Hier, o Brüder! Tyndariden!

Wo die reine Flamme glüht. –


Ha! die frohen Geister ringen

Zur Unendlichkeit hinan,

Tiefer ahndungsvoller dringen

Wir in diesen Ozean!

Hin zu deiner Wonne schweben

Wir aus Sturm und Dämmerung,

Du, der Myriaden Leben

Heilig Ziel! Vereinigung!


Wo in seiner Siegesfeier

Götterlust der Geist genießt,

Süßer, heiliger und freier

Seel in Seele sich ergießt,

Wo ins Meer die Ströme rinnen,

Singen bei der Pole Klang

Wir der Geisterköniginnen

Schönster einst Triumphgesang.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 166-170.
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