In tiefer Scham

[89] Ich weinte auf mein Brot und würgte dran

Und konnts nicht würgen und stand auf vom Mahl

Und ging hinaus ins kalte, kahle Feld

Und bot dem Märzwind meine heiße Qual.


An einem Dornbusch hing ein Fetzen Tuch.

Wer warf es weg, wen wärmte es zuletzt?

Vielleicht wie er bin ich ein Bettler nun,

Und was so warm mich hielt, ist ganz zerfetzt.


Wenn du dein Herz in deine Hände nimmst

Und gibst es hin, da, nimms, und ohn Entgelt,

Man nimmt es, dankt und wirft dirs plötzlich hin:

Ich mags nicht mehr! dann stirbt dir eine Welt.


Dann stehst du da, entblößt und bettelarm

Und weißt nicht hin vor Scham, vor nackter Scham.

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Quelle:
Gustav Falke: Ausgewählte Gedichte. Hamburg 1908, S. 89.
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