Am andern Sonntag deß Advents


Der Geistliche Lockheerd und Fallstrick

[78] 1.

Jesu, als du erstlich kamest,

Unser armes Fleisch annahmest,

Zogest du sanftmütig ein.

Ach dein andres Wiederkommen

Wird zwar auch den Frommen frommen,

Aber Bösen böse seyn:

Da wirst du den Weitzen sichten,

Wie du findest, jeden richten.


2.

Darüm ach verhüt in Gnaden,

Daß mein Herz nit sey beladen

Mit der Erden-Eitelkeit.

Mach mich wachen, lehr mich beten,

Daß vor deinen Thron zutreten

Ich sey jede Stund bereit;

Dann ich weiß, du wirst einbrechen

Schnelle gleich den Regenbächen.


3.

Laß mich dann seyn aufgeschrieben,

Lis mich aus dem Buch der Lieben.

Lösch die schwarzen Schulden aus

Mit der Dinte deiner Wunden,

Daß ich werd ein Schäflein funden,

Ewig bleib in deinem Haus,

Wann der Teufel treibt zur Höllen

Seine Böck und Qual-gesellen.


4.

Vor mir ligen falsche Körner,

Wollust, Ehr und Reichtumsdörner

Auf dem Lockheerd dieser Welt.

Die Lockvögel aus der Höllen

Mir manch süsses Liedlein gellen,

Das auf mein Verderb gestellt.

Ach der Tod das Garn bald zücket,

Wie ein Fallstrick uns berücket.


5.

Gib mir Augen, recht zusehen,

Gib ein Herz, das mög verstehen,

Was zwar scheint, doch schädlich ist.

Jesu, meinen Sinn regire,

Daß der Feind mich nicht verführe

Mit dem schnöden Erden-mist,

Daß dein Tag mich nicht im Naschen

Auf dem Lockheerd mög erhaschen.

Quelle:
A. Fischer / W. Tümpel: Das deutsche evangelische Kirchenlied des 17. Jahrhunderts, Band 5, Hildesheim 1964, S. 78-79.
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